Nürnberg, 12. Juni 2023 Inflation und Energiekosten werden immer mehr Menschen in die Überschuldung treiben. Davor warnt jetzt die Diakonie Bayern anlässlich der Aktionswoche Schuldnerberatung vom 12. bis 16. Juni unter dem Motto: Was können wir uns noch leisten? Überschuldungsrisiko Inflation. „Eine Krise jagt die nächste und immer mehr Menschen sind finanziell am Ende“, berichtet Sandra Schuhmann, die zuständige Vorständin im Diakonischen Werk Bayern, dem zweitgrößten Wohlfahrtsverband im Freistaat. „In unseren Schuldnerberatungsstellen erleben wir täglich, wie verunsichert die Menschen sind und welche Zukunftssorgen sie sich machen. Viele sind regelrecht verzweifelt.“
Derzeit gelten mehr als sechs Prozent beziehungsweise 660.000 Erwachsene im Freistaat als überschuldet. Zwar bedeutet dies einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr, doch sei dies kein Grund zur Entwarnung, ist sich Diakonie-Vorständin Sandra Schuhmann sicher. In den Beratungsstellen der Diakonie sei der Beratungsbedarf gleichgeblieben und die Beraterinnen und Berater weiterhin ausgelastet, wie schon seit Jahren. Dies ergibt die jährliche Auswertung der Diakonie. Zudem ist zu befürchten, dass die Zahl der Überschuldeten wieder ansteigen wird. Schuhmann: „Viele Menschen haben in den letzten Monaten schlicht von ihren Rücklagen gelebt, diese sind nun aufgebraucht und keinerlei Reserven mehr vorhanden.“
Nicht wenige Haushalte mussten bereits in der Vergangenheit ein Drittel ihres Einkommens und mehr allein für den Wohnraum ausgeben. Die gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten führen zu einer zusätzlichen Belastung. „Wenn im kommenden Jahr die Nebenkosten neu berechnet werden, wird sich die Situation zusätzlich verschärfen.“ Es bräuchte darum eine verlässliche, d.h. auch finanziell abgesicherte Beratungslandschaft der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen.
Generell sollten Privathaushalte nach Ansicht der Diakonie besser geschützt werden. Die Bundesregierung habe mit verschiedenen Instrumenten versucht, insbesondere Unternehmen von den Folgen der Energiekrise sowie der Inflation zu entlasten, etwa durch eine Verlängerung der Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung. Schuhmann: „Auch Privathaushalte brauchen angesichts der explodierenden Kosten entsprechende Hilfen.“ Dazu zählt nach Auffassung der Diakonie eingenereller Pfändungsschutz von existenzsichernden Leistungen: „Wenn die Bundesregierung versucht, die Bevölkerung in schwierigen gesamtgesellschaftlichen Situationen durch finanzielle Mittel und Verbesserungen bestehender Sozialleistungen zu stützen, müssen derartige Leistungen generell vor Pfändungsmaßnahmen geschützt sein.“ Am Beispiel der Energiepreispauschale und der Inflationsausgleichsprämie habe sich gezeigt, dass besonders Menschen, deren Konto oder Arbeitslohn einer Pfändung unterliegen, nur mit großen Schwierigkeiten und der Hilfe der Schuldnerberatung eine Freigabe der Pauschale erreichen konnten.
Um belastete Haushalte nicht weiter in die Schuldenfalle zu treiben, fordert die Diakonie zudem ein Moratorium bei Energieschulden sowie das Verbot von Energiesperren. Zahlungsrückstände beim Energieanbieter berechtigen diesen, Energie für den betreffenden Haushalt zu sperren. „Menschen dürfen nicht über Wochen und Monate im Dunklen oder Kalten sitzen.“
13.381 Ratsuchende fanden im vergangenen Jahr bei den spezialisierten sozialen Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen der Diakonie Bayern Hilfe. Dort erhielten sie kostenfreie Beratung zur Existenzsicherung und zu Möglichkeiten der Schuldenregulierung. In 34 Kommunen und Landkreisen sind insgesamt 113 Insolvenz- und Schuldnerberaterinnen und -berater der Diakonie tätig. Eine Übersicht der Beratungsstellen der Diakonie in Bayern sind abrufbar unter: https://www.diakonie-bayern.de/arbeitsfelder/soziale-arbeit/schuldner-und-insolvenzberatung