Rat im Radhaus Als f.i.t2-Projekt ausgezeichnete Anlaufstelle der Diakonie NAH.

Manchmal wird das soziale RadHaus Hersbruck noch mit dem Rathaus verwechselt und Suchende stehen vor der falschen Tür. In Franken kann das schon mal passieren, ist hier doch die Liebe zur weichen Aussprache von Konsonanten bekannt. Dabei wäre die Schreibweise mit „t“ gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt, sie trifft es sogar ziemlich gut, wenn im RadHaus gibt es neben dem Rad eben auch Rat und Tat.

So erzählt Zweirad-Mechaniker Florian Tröndle wie er beim Reparieren immer ein offenes Ohr für seine Kundinnen und Kunden hat. Darum geht es im RadHaus, das eine Begegnungsstätte für verschiedenste Lebensrealitäten ist und ein niedrigschwelliges und nahes Angebot für alle Menschen der Gegend. „Das ist ein tolles Projekt und ein Vorzeigebeispiel dafür, wie und wo Menschen sich begegnen und Leben sich verändern können“, betonten Kirchenrätin Bettina Naumann und Joachim Wenzel vom Diakonischen Werk Bayern, die das RadHaus prämierten.

Wie konkret so eine Veränderung aussehen kann, zeigte sich zum Beispiel in der jüngsten Aktion, einem Radkurs für Frauen. Brauchen Frauen denn einen eigenen Radkurs? Wer bitte kann nicht Fahrrad fahren? Zum Beispiel Frauen aus arabischen Ländern, die den Kurs im RadHaus begeistert annahmen. Eine Bedingung gibt es, Frauen, die ihren Kurs absolviert haben, geben ihr Wissen an die nächste Gruppe weiter. Das klappt, mit Begeisterung: „Letztes Mal war ich Schülerin, jetzt bin ich Chef“, verkündete eine der neuen Ausbilderinnen nicht ohne Stolz. Vor allem aber erleichtert das Radfahren den Frauen mit Migrationshintergrund ihren Alltag erheblich, sie werden eigenständig mobil und das verändert auch das Stadtbild. Wir sehen immer mehr Frauen aus unseren Kursen, die nun per Rad unterwegs sind. Vor allem aber erleichtern diese Frauen auch ihren Töchtern den Einstieg aufs Rad, gegen manche Bedenken der Väter. Eine nachhaltige Verkehrswende im mehrfachen Sinn.

Apropos erleichterter Einstieg, Damenräder mit einem solchen tiefen Einstieg sind gerade bei Seniorinnen besonders beliebt und im RadHaus werden sie fündig. Dank der E-Bike-Welle kann sich das RadHaus über einen Mangel an gespendeten Fahrrädern nicht beklagen. Die Räder werden gespendet und können gegen Spende erworben werden. Rund 250 Räder verlassen so pro Jahr das RadHaus. Sehr gefragt sind zudem Kinderräder, auch in diesem Segment ist der Show-Room des RadHauses gut bestückt. Nachhaltig ist auch die Reparatur der Räder, manche Kundinnen und Kunden bestehen sogar darauf, den Schlauch zu flicken, statt einen neuen zu nehmen. Und wer möchte, kann hier auch selbst mit anpacken und das Reparieren lernen. Wie etwa die Konfirmandengruppe von Pfarrer Auberle aus Henfenfeld, die sieben Kilometer lange „Anreise“ erfolgt – natürlich – mit dem Rad. Auch zwei Schulen schicken regelmäßig ihre Schülerinnen und Schüler zum Praktikum ins soziale RadHaus. Und auch die Gruppe einer Berufsschule packte schon mit an und „zauberte“ dem Geschäft einen Holzschuppen vors Haus.

Ein wahrer Schmelztiegel ist das RadHaus für Menschen, Interessen, Lebenslagen und Begegnungen. Es ist damit ein schönes Beispiel für die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit (KASA), die Joachim Wenzel bei der Diakonie Bayern koordiniert. Niedrigschwellige Angebote, die eine Wertschöpfung für die ganze Gesellschaft darstellen. Das RadHaus hat Menschen wieder in Arbeit gebracht, es aktiviert Ehrenamtliche, bringt Menschen zusammen und in den Austausch und bietet Hilfe, wer diese benötigt. So ist auch Melanie Ketterer von der Diakonie Nürnberger Land Neumarkt (Diakonie NAH) gerne und regelmäßig im sozialen RadHaus und hilft hier den Menschen mit unterschiedlichsten Problemlagen, ganz nah, wie es der Name auch nahelegt und kann hier auch in die anderen professionellen Angebote und Beratungen der Diakonie vermitteln. Welcher Erfolg das RadHaus ist, zeigt sich auch daran, dass nun eine weitere Stelle in der Werkstatt geschaffen wird. Bei dem Andrang auch bitter nötig. Und man freut sich schon auf den Umzug in die Innenstadt, dann ist man noch näher an den Menschen und näher am Rathaus.