Pressemeldungen 2021

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Kein Kranker mehr ohne medizinische Versorgung!

Diakonie Bayern fordert Unterstützung für Menschen ohne Krankenversicherung

Nürnberg, 17.08.2021 Eine gescheiterte Selbständigkeit, Arbeitslosigkeit, ein fehlender Aufenthaltstitel – die Gründe für ein Leben ohne Krankenversicherung sind vielfältig. Die Angaben über die Zahl der Menschen in Deutschland, die ohne Krankenversicherung leben, schwanken. Sie reichen von 60.000 bis zu ca. 150.000 Personen; Experten gehen von einem zusätzlichen Dunkelfeld aus – so sollen allein in Berlin 50.000 Menschen ohne Krankenversicherung leben. Die Diakonie in Bayern fordert nun einen landesweiten anonymisierten Krankenschein, wie es ihn in Thüringen bereits gibt. „Viele meinen, in Deutschland sei flächendeckend jeder Mensch krankenversichert – doch das ist ein Irrtum.“, so der Präsident der Bayerischen Diakonie in Nürnberg. „In einem Land, das auf christlichen Werten basiert, können wir kranke Menschen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.“

Zwar gibt es auch in Bayern Hilfsorganisationen, die eine Behandlung ohne Krankenschein ermöglichen. Dazu zählen etwa „Ärzte der Welt“, die in München eine Beratungsstelle unterhalten, an die sich Menschen ohne Krankenschein wenden können, oder die Straßenambulanz in Nürnberg. Oftmals werden hier Menschen unentgeltlich von ehrenamtlichem medizinischem Personal behandelt; eine Abrechnung der Leistungen ist oftmals nicht oder nur in Teilen möglich. In Nürnberg etwa wurde hierfür der „Hilfsfonds Armut und Gesundheit eingerichtet“. Die Diakonie Bayern fordert darum jetzt ein Modell vergleichbar mit dem Anonymen Krankenschein Thüringen (AKST).

Hier können Betroffene seit 2017 an insgesamt 30 Ausgabestellen den AKST beantragen; im Jahr 2020 wurde er über 200 Mal in Anspruch genommen. Das Thüringer Sozial- und Gesundheitsministerium unterstützt damit ein Modellprojekt, das Menschen ohne Papiere, deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die nicht oder nicht mehr über eine Krankenversicherung verfügen, sowie Bürgerinnen und Bürger aus EU-Staaten oder aus anderen Drittstaaten mit Aufenthaltsstatus ohne ausreichenden Krankenversicherungsschutz unter bestimmten Voraussetzungen medizinisch versorgt. Die Anonymisierung der Daten soll sicherstellen, dass besonders vulnerable Patientinnen und Patienten – wie beispielsweise Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel – geschützt werden. Damit soll nach Angaben des Thüringer Sozial- und Gesundheitsministeriums eine Hürde abgebaut werden, dringend benötigte medizinische Behandlung in Anspruch zu nehmen.

Mit dem AKST können Leistungen in Höhe von bis zu 500 Euro in Anspruch genommen werden; darüberhinausgehende Leistungen bedürfen der Kostenzusage des Arztes. Sie werden dann mit dem Freistaat Thüringen abgerechnet. Im Jahr 2020 beliefen sich die Kosten des Thüringer Modells Angaben zufolge auf etwas über 250.000 Euro

Diakoniepräsident Bammessel: „Auf diesem Wege wird Menschen ohne Papiere und ohne Krankenversicherungsnachweis ein niedrigschwelliger Zugang zu einer sozialen und gesundheitlichen Basisversorgung ermöglicht. Dies gilt natürlich im Hinblick auf den Infektionsschutz der Bevölkerung, aber auch für die Sicherstellung der Schwangerenvorsorge, die Vorsorge und notwendige ärztliche Behandlung von Kindern sowie eine allgemein- und zahnmedizinische Behandlung.“ Er könne sich ein entsprechendes Modell auch für Bayern vorstellen, so Bammessel. „Wir können – gerade nach den Erfahrungen mit der Pandemie – die Versorgung dieser Menschen nicht einfach Hilfsorganisationen und Ehrenamtlichen aufbürden. Hier ist die Gesellschaft als Ganze gefragt“.