Das Kontaktverbot durch die Corona-Krise bringt es mit sich, dass viele Menschen mehr Zeit miteinander in den eigenen vier Wänden verbringen. Die Auswirkungen von Isolation, die Minimierung sozialer Kontakte, finanzielle Sorgen und Existenzängste könnten zu einem Ansteigen häuslicher Gewalt führen. Das Bundesfamilienministerium, Frauennotrufe sowie Opfer- und Kinderschutzverbände befürchten eine starke Zunahme der Gewalt. Es besteht dringender Handlungsbedarf.
"Die Menschen befinden sich im Moment in existenziellen Nöten, sie haben Angst um ihre Gesundheit und ihren Job. Homeoffice und Kinderbetreuung kommen als Herausforderung dazu, belasten Familien und verursachen zudem Stress", so Christine Falk vom Amt für Gemeindedienst. "Viele kommen an ihre Grenze, das kann Aggression fördern und auch zu häuslicher Gewalt führen".
Berichte aus den EU-Mitgliedsstaaten und Rückmeldungen aus den Frauenhäusern lassen darauf schließen, dass Kinder und Frauen derzeit in ihrem Zuhause einem höheren Gewaltrisiko ausgesetzt sind als vor dem Ausbruch der Pandemie. "In Frankreich sind die polizeilichen Einsätze im Bereich häuslicher Gewalt in der ersten Woche nach der Ausgangssperre in die Höhe geschnellt und auf über 30 Prozent angestiegen", so Dr. Andrea König vom Amt für Gemeindedienst. "Das lässt Schlimmes befürchten, denn wir wissen, dass schon vor Corona die Zahlen hoch waren. Nach sog. Dunkelfeldstudien ist jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal im Leben von Gewalt betroffen. Statistisch gesehen sind das mehr als 12 Millionen Frauen."
Im Amt für Gemeindedienst der ELKB wurde ein Flyer erstellt, der eine Zusammenstellung von Hilfsnotrufnummern enthält. Neben bundesweiten Nummern sind auch bayernweite, regionale und kirchliche Hilfenummern gelistet. Der Flyer kann über die Homepage des Amtes für Gemeindedienst abgerufen werden. Dabei wird aufgerufen, den Flyer digital und analog zu verteilen und auszulegen. Wichtige Orte sind dafür die meist offenen evangelischen Kirchen in Bayern, sowie Supermärkte, Bäckereien oder Apotheken. Alle können mithelfen und dabei auch die Menschen in der Umgebung nicht aus den Augen verlieren. "Denken Sie fürsorglich und suchen Sie auch bei Verdacht professionelle Hilfe auf", so die Devise.
Angesichts einer möglichen Verlängerung der Ausgangssperre ist über weitere Maßnahmen dringend nachzudenken. Frauenhäuser und Beratungsstellung brauchen Unterstützung. Aber auch Hilfetelefone reichen möglicherweise nicht aus. "Telefonieren kann im Haus zu einem Problem werden", so König. "Frankreich bietet daher nun eine Direkthilfe in Apotheken an. Wer nach einer Maske Nummer 19 fragt, für den wird die Polizei gerufen. Das wäre eine Maßnahme, die auch hierzulande denkbar wäre."
Auch die Diakonie Bayern sieht die derzeitige Situation als große Herausforderung in Bezug auf die Thematik häusliche Gewalt. Gemeinsam mit der Freien Wohlfahrtspflege Bayern – Fachbereich Frauen und der Koordinierungsstelle gegen häusliche und sexualisierte Gewalt wird deshalb gerade ein erstes Lagebild der aktuellen Situation in den Frauenhäusern und Notrufen/Fachberatungsstellen für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen in Bayern erfasst, um daraus resultierende Bedarfe zu ermitteln und Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
Die wichtigsten Telefonnummern für Betroffene finden Sie hier.