Nürnberg/Augsburg, 1. April 2025 „Armut ist die größte gesellschaftliche Herausforderung der kommenden Jahre – die Politik muss sich hier stärker engagieren.“ Dies fordert die Präsidentin der Diakonie Bayern am Rande der Frühjahrssynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB). Diese beschäftigt sich heute mit dem Verhältnis von Kirche und Diakonie. „Die Umfragen vor der Bundestagswahl haben gezeigt: Soziale Gerechtigkeit ist eines der wichtigsten Themen.“ Von den Verantwortlichen für die Koalitionsverhandlungen erwarte sie, dass dies in den Gesprächen eine größere Rolle spielen werde als bislang.
In den Ergebnissen der Arbeitsgruppen, die die Koalitionsverhandlungen vorbereiten, komme der Begriff der Armut kaum vor, so die Präsidentin des zweitgrößten bayerischen Wohlfahrtsverbandes. „Bereits heute ist jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut betroffen, in Bayern jede vierte Rentnerin.“ Dem Rentenreport des DGB zufolge sei die Situation sogar noch dramatischer – ihm zufolge erhalten sogar dreiviertel aller Rentnerinnen weniger als 1.200 Euro im Monat und lägen damit unterhalb der EU-Armutsgefährdungsschwelle von 1.313 Euro. Hinzu komme ein Wohnungsmarkt, der den Bedarf längst nicht mehr befriedigen könne. „In der Folge hat sich die Zahl der Wohnungslosen im Freistaat in den vergangenen Jahren verdoppelt auf über 50.000 Menschen.“
Diakonie und Kirche könnten mit ihren Angeboten zwar viel dazu beitragen, akute Not zu lindern und Armutsfolgen zu bekämpfen. „Die politischen Lösungen müssen andere schaffen. Die zukünftige Bundesregierung hat die Gelegenheit dazu.“ Zwar erkenne die Diakonie erste Schritte, wie etwa die geplante Zusammenfassung familienpolitischer Leistungen. Der Eindruck der bisherigen Verhandlungen aber sei, dass Armut keine wesentliche Rolle spiele. „Im Gegenteil – wenn, dann ist sie Gegenstand politischer Diffamierung.“
Dies gelte besonders für die Debatte um das Bürgergeld. „Nur 1,7 Millionen der über fünf Millionen Bürgergeldempfänger und -empfängerinnen sind überhaupt arbeitslos. Der überwiegende Anteil der Bezieher und Bezieherinnen erhält das Bürgergeld, weil sie sich in Ausbildung befinden oder Angehörige pflegen.“ Eine knappe Million Menschen wiederum erhalte das Bürgergeld als Aufstockung, weil der Lohn nicht zum Leben reiche. „Tatsache ist: Die Zahl der angeblichen Totalverweigerer beläuft sich Studien zufolge auf 16.000 Personen. Grundlage für eine zunehmend scharfe Debatte sind also gerade einmal 0.4 Prozent der Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger.“
Weingärtner zufolge würde die Politik Menschen, die von Armut betroffen sind, überall weiter ins Aus drängen – innenpolitisch, aber auch außenpolitisch. Mit großer Sorge sehe sie darum die Debatte um eine mögliche Verlagerung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in das Auswärtige Amt.
„Die Politik sagt uns: Für politische Entscheidungen sind die Bedürfnisse und Themen der Menschen ausschlaggebend. Wir meinen: Soziale Gerechtigkeit gehört dazu.“