Corona darf nicht zum Armuts-Tsunami werden

Jahrespressekonferenz der Diakonie Bayern: Deutliche Verbesserungen in der Pflege angemahnt.

Nürnberg, 16. 03. 2021 Deutliche Verbesserungen in der Pflege hat die Diakonie Bayern gefordert. Angesichts von bis zu 150.000 fehlenden Vollzeitkräften bis 2050 allein in Bayern sei es allerhöchste Zeit, hier die Arbeitsbedingungen zu verbessern, sagten Vertreter und Vertreterinnen des zweitgrößten bayerischen Wohlfahrtsverband bei der heutigen Jahrespressekonferenz in Nürnberg. „Gesundheits- und Pflegeminister Holetschek hat dies erkannt und am vergangenen Wochenende Vorschläge zu einer Reform der Pflege gemacht“, so Sandra Schuhmann, Vorständin Gesundheit und Teilhabe. „Allein – die Umsetzung der meisten Ideen wird sehr lange brauchen.“ Schuhmann brachte darum erneut den Vorschlag ins Gespräch, Mitarbeitenden in der Pflege einen zusätzlichen Steuerfreibetrag in Höhe von monatlich 500 Euro einzuräumen. „Dies wäre rasch umzusetzen und  im Geldbeutel sofort zu spüren.“

Der Präsident der Diakonie Bayern, Michael Bammessel, bedauerte vor diesem Hintergrund erneut das Scheitern eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für die Pflege. „Ich hätte mir gewünscht, dass die zuständigen Arbeitsrechtlichen Kommissionen auf Bundesebene hier ein anderes Signal ausgesandt hätten.“ Dieser Vertrag – das Zustandekommen war vor vierzehn Tagen aufgrund der Ablehnung durch die Caritas gescheitert – hätte für viele Mitarbeitende insbesondere bei den privaten Anbietern eine zum Teil deutliche Verbesserung der Gehälter zur Folge gehabt; manche sprechen bei einzelnen Anbietern gar von einem Mehr von über 25 Prozent. Bammessel: „Die Diakonie zahlt in den allermeisten Fällen zwar bereits heute besser als im – gescheiterten – Vertrag vorgesehen. Aber selbst bei uns gibt es in den unteren Gehaltsgruppen, den Pflegehilfskräften, einen gewissen Nachholbedarf.“

Auch Bammessel wies darum auf die dringend notwendige Reform der Pflegeversicherung hin: „Eine spürbare Lohnverbesserung erfordert im Gegenzug zwingend auch bessere Leistungen der Pflegeversicherung – und die sind noch nicht in Sicht.“ Das bisherige System der gedeckelten Kassenleistungen sorge dafür, dass Verbesserungen in der Pflege und insbesondere Lohnerhöhungen immer zu Lasten der Bewohnerinnen und Bewohner gehen - und schon jetzt seien die Kosten eines Pflegeheimplatzes für viele Familien kaum mehr zu stemmen. Bammessel: „Die Menschen in der Pflege, gerade in der Altenpflege, stehen in der Corona-Krise unglaubliche Belastungen durch. Sie haben es verdient, dass alle maßgeblichen Akteure gemeinsam und entschieden endlich Fortschritte bei den Arbeitsbedingungen und den Gehältern erreichen. Ich fordere darum die Beteiligten in Politik, Verbänden und Gewerkschaften dazu auf, doch noch einen gemeinsamen Weg zu finden, um ein verbindliches Lohnniveau zu erreichen.“

Als besonders belastend wirkt sich Corona der zuständigen Vorständin, Sabine Lindau, zufolge auf Kinder, Jugendliche und Familien aus: „Etwa jedes dritte Kind hat aufgrund der Corona-Pandemie mit psychischen Belastungen zu kämpfen– vor der Pandemie waren es 'nur‘ 20 Prozent.“ Besonders alarmierend sei, dass Kinder aus sozial schwachen Familien betroffen seien; Wut, Aggressionen und psychosomatische Beschwerden hätten deutlich zugenommen. Diese belegten indirekt auch die Zahlen der diakonischen Beratungsstellen in Bayern: „Obwohl die Beratungen aufgrund von Corona unter besonderen Bedingungen durchgeführt werden mussten, ist die Zahl der Beratungsgespräche nahezu gleichgeblieben: Ein Zeichen für den hohen Bedarf, aber auch für das außergewöhnliche Engagement der Mitarbeitenden in den Beratungsstellen.“ Lindau forderte, die Situation von Familien während, aber auch nach Corona deutlicher in den Blick zu nehmen. „Nach wie vor ist der Zugang zu familienpolitischen Leistungen aufgrund komplizierter Antragswege für viele Familien erschwert. Hier brauchen wir einen erleichterten Zugang und eine Bündelung der Leistungen bis hin zu einer Kindergrundsicherung.“

Obwohl die Pandemie für die etwa 700 Träger diakonischer Einrichtungen in Bayern auch massive wirtschaftliche Folgen hatte, sind Insolvenzen ausgeblieben. Dies führt Wolfgang Janowsky, im Vorstand zuständig für Recht, Wirtschaft und Finanzen, auf die zahlreichen Schutzschirme und Förderprogramme der Politik zurück. „Auch wenn der bürokratische Aufwand immens ist – die Programme funktionieren.“ Janowsky warnte jedoch davor, Schutzschirme zu früh wieder auszusetzen. „Corona wird die soziale Arbeit noch lange vor Herausforderungen stellen – die Politik muss sich darauf einstellen, die Schutzmaßnahmen entsprechend zu verlängern.“

Auch Janowsky betonte die Rolle der diakonischen Beratungsdienste: „Arbeitslosen-, Schuldner- oder Wohnungslosenberatung etwa werden in Zukunft besonders wichtig sein, um die sozialen Folgen von Corona zu bewältigen.“ Gleichzeitig seien gerade diese besonders auf kommunale und staatliche Zuschüsse angewiesen. „Andererseits rechnen die Kommunen in den kommenden Jahren mit deutlich sinkenden Gewerbesteuereinnahmen, so dass wir ausgerechnet in diesen Arbeitsfeldern Kürzungen der Fördermittel befürchten müssen.“ So nachvollziehbar die Situation der Kommunen sei, so falsch wäre es, bei diesen sozialen Leistungen zu kürzen. Corona hätte sonst für viele Menschen Langzeitschäden zur Folge, die es aus Sicht der Diakonie unbedingt zu vermeiden gilt. Janowsky: „Wir sollten alles daransetzen, dass auf die Corona-Wellen kein Armuts-Tsunami folgt!“

Ihr Kontakt

Daniel Wagner Pressesprecher