„Wir pflegen Franken“. Mittelfrankens Wohlfahrtsverbände rufen am Tag der Pflege zur Demonstration auf

„Wir pflegen Franken!“ Mit dieser selbstbewussten Aussage gehen Mitarbeiter aus der Altenpflege am Dienstag, 12. Mai, in Nürnberg auf die Straße. Am Internationalen Tag der Pflege wollen Mittelfrankens Wohlfahrtsverbände die Öffentlichkeit unübersehbar auf die tatsächliche Bedeutung der Pflege für die Gesellschaft aufmerksam machen und bessere Rahmenbedingungen fordern.

"Wir bieten die gleiche Qualität in der Pflege und haben die gleichen Anliegen", begründet Michael Groß als Sprecher der Veranstalter. Der Geschäftsführer des Caritasverbandes Nürnberger Land betont: "Die Unzufriedenheit bei denen, die in der Pflege arbeiten, ist groß." Die bisher von der Politik eingeleiteten oder angekündigten Verbesserungen empfänden sie als nur kosmetische Änderungen. Das Thema genieße in der Öffentlichkeit nicht genügend Aufmerksamkeit. "Wir müssen auf die Straße gehen, weil es sonst keiner tut."

 

Die Demonstration, die um 14 Uhr an der Lorenzkirche beginnt, wolle, so Groß, "lautstark darauf hinweisen, dass die Altenpflege ein gesellschaftliches Kernthema ist, das zu Unrecht oft vernachlässigt wird." In Bayern leben gegenwärtig 320.000 pflegebedürftige Menschen. Die steigende Lebenserwartung legt nahe, dass die Zahl bis 2030 um über 50 % anwächst. Jeder zweite Über-90-Jährige ist auf Pflege angewiesen. Eine große Rolle spielen dabei Demenzerkrankungen. Für 2050 prognostiziert die Forschung 3 Millionen Demenzpatienten in Deutschland. Vor diesem Hintergrund sagen Pflegekräfte über ihre Funktion in der Gesellschaft: „Wir sind Leistungsträger“.

Eine wesentliche Forderung der Demonstranten richtet sich auf eine bessere Finanzierung der Altenpflege. Seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 wurden deren Leistungen lediglich um 8,2 % angehoben, während allein der Inflationsausgleich eine Erhöhung um 42,6 % erfordert hätte. "Diese 'Einsparungen' erfolgen auf dem Rücken der Pflegebedürftigen", betont Groß. "Denn sie müssen immer mehr selbst für die Pflege zahlen." Besonders prekär sei die Situation in der ambulanten Pflege. Trotz jahrelanger Verhandlungen und trotz eines Transparenzverfahrens, in dem die Wohlfahrtsverbände ihre Kosten schonungslos offenlegten, verweigerten die Kranken- und Pflegekassen nach wie vor leistungsgerechte Entgelte.

Daraus resultiert ein weiteres Problem, das die Demonstranten anprangern wollen: das enge Zeitkorsett. 5 Minuten für die Zahnpflege oder 6 Minuten für die Hilfe beim Toilettengang sind, so Groß, "Vorgaben, die bei einem Menschen, der nicht mehr selbst mitwirken kann oder sich aufgrund einer Demenz nicht mehr richtig orientiert und womöglich sogar gegen die Hilfe stemmt, nicht zu erfüllen sind." Menschliche Zuwendung sei im System schon gar nicht vorgesehen. Daher lautet eine Forderung: „Wir wollen mehr Zeit zum Pflegen“. Denn dies entspricht dem Selbstverständnis der bei den Wohlfahrtsverbänden tätigen Menschen: „Wir wollen Pflege mit Leib und Seele“.

„Wir sind Pflegekräfte und kein Schreibbüro“, lautet eine weitere Parole. Sie macht auf die Problematik ausufernder Dokumentationspflichten aufmerksam. Untersuchungen belegen, dass heute mindestens ein Viertel der Arbeitszeit in der Pflege durch Schreibarbeiten aufgefressen wird.

Bereits jetzt plagt die Pflege der Fachkräftemangel. Und wenn sich nichts ändert, könnten bis 2030 in Bayern 90.000 Pflegekräfte fehlen. Die Demonstranten sagen daher: „Wir brauchen mehr Kolleginnen“ und fordern damit eine breite gesellschaftliche Anstrengung, um Nachwuchs im Altenpflegeberuf zu gewinnen und auszubilden.

Der Aktionstag wird von der Bezirksarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände Mittelfranken veranstaltet. Ihr gehören Arbeiterwohlfahrt, Bayerisches Rotes Kreuz, Caritas, Diakonie und der Paritätische Wohlfahrtsverband an. Die Altenhilfeträger dieser fünf Verbände versorgen in Mittelfranken mit etwa 11.000 Mitarbeitern rund 26.000 Menschen in Pflegeheimen, in Tagespflege oder zu Hause durch ambulante Dienste.

Die Demonstration startet um 14 Uhr vor der Lorenzkirche. Neben Michael Groß als Vertreter der Veranstalter spricht hier Dr. Elisabeth Scharfenberg, Pflege-Sprecherin der Bündnis 90/Die Grünen-Bundestagsfraktion. Der Demonstrationszug führt danach durch die Innenstadt zur Kirche St. Elisabeth. Dort wird Melanie Huml, Bayerns Ministerin für Gesundheit und Pflege, als Rednerin erwartet. Außerdem tritt der Kabarettist Bernd Regenauer auf. Das Schlusswort spricht Birgit Löwe, Vorstandsmitglied der Diakonie Bayern.

Zu der Demonstration sind Beschäftigte und Ehrenamtliche aus den ambulanten, teilstationären und stationären Altenpflegediensten, Auszubildende und Schüler/innen in der Altenpflege, pflegebedürfte Menschen und deren Angehörige sowie alle Interessierten aufgerufen - auch aus anderen Regionen Bayerns. Bereits im Vorfeld zeichnet sich eine große Reaktion ab.