Nürnberg, 22. Oktober 2015. Über zwei Millionen Euro pro Jahre sparen allein die acht bayerischen Landkreise und Kommunen, die eine Fachstelle zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit finanzieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die heute in Nürnberg vorgestellt wurde. Für die Diakonie Bayern, eine der Initiatorinnen der Untersuchung ist damit klar: „Soziale Arbeit rechnet sich auf Heller und Pfennig“, so der zuständige Fachvorstand Dr. Tobias Mähner. „Der Ertrag von Prävention lässt sich beziffern.“
Über einen Zeitraum von einem Jahr hat das Institut für Praxisforschung an der Evangelische Hochschule in Nürnberg die Arbeit von acht Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit untersucht. Von Juni 2013 bis Mai 2014 wurde über 1.200 Fälle ausgewertet. Professor Dr. Joachim König, der die Studie leitete: „Wir weisen nach: Die Unterbringung von Wohnungslosen in Pensionen ist bis zu fünfeinhalbmal so teuer wie die präventive Beratung. Mit anderen Worten: Durch die Bezuschussung der Fachstellen spart die öffentliche Hand – 2,3 Millionen Euro pro Jahr.“ Ein Euro an Zuschuss für die Beratung könne so bis zu neun Euro Ausgaben an anderer Stelle sparen.
Für den Fachverband evangelischer Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe (FEWS), der zweite Initiator der Studie, sind die Konsequenzen klar. In einem „Sech-Punkte-Plan“ fordert er unter anderem den flächendeckenden Ausbau und die kostendeckende Finanzierung der Fachstellen sowie den massiven Ausbaus des Sozialen Wohnungsbaus. Denn, so Diakonievorstand Mähner: „In Bayern hat sich die Zahl der Sozialwohnungen von 250.000 im Jahr 1999 auf 130.000 im Jahr 2014 nahezu halbiert, und das bei einem angespannten Markt.“
Die 500 Millionen Euro, die die Bundesregierung jetzt für den Sozialwohnungsbau beschlossen habe, seien darum zwar ein Schritt in die richtige Richtung, machten sich aber angesichts der 700 Millionen Euro, die allein die Stadt Wien im Jahr 2015 dafür ausgibt, als nahezu bescheiden aus. „Auch aus diesem Grund ist die Fachstellenarbeit so wichtig: Sie hilft nachweislich, Wohnungslosigkeit zu vermeiden.“ Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosigkeit hatte erst kürzlich einen Anstieg der Wohnungslosigkeit in Deutschland auf mehr als eine halbe Millionen Menschen in den kommenden drei Jahren prognostiziert. „Auch angesichts dieser Aussichten muss die Arbeit der Fachstellen ausgebaut werden.“
Denn die Untersuchung, so Studienleiter König, habe nicht nur die Kosten der Fachstellenarbeit untersucht, sondern auch die Effektivität: „In knapp 70 Prozent aller untersuchten Fälle konnte Wohnungslosigkeit verhindert werden, der Umzug in eine Pension bzw. wirkliche Wohnungslosigkeit trat nur in 5 Prozent der untersuchten Fälle ein.“ König: „Oft stehen Sozialausgaben ja unter dem Verdacht, rein konsumtiv, also aufzehrend zu sein. Die Studie belegt: Sie sind eine Investition in eine effiziente Arbeit, die sich zudem rechnet.“
Grundlage der Studie war eine repräsentative Stichprobe von Fallverläufen (N=310) aus einer Grundgesamtheit mit insgesamt 1272 Fällen, die von Juni 2013 bis Mai 2014 an allen acht Fachstellen der Diakonie in Bayern bearbeitet wurden: Ostallgäu, Weilheim-Schongau, Penzberg (jeweils Stadt und Landkreis), Rosenheim (jeweils Stadt und Landkreis), Ebersberg, Freising, Neu-Ulm.
Statement Dr. Mähner, Vorstand Diakonie Bayern
Statement Prof. Dr. König, EH Nürnberg
Statement Andreas Kurz, FEWS