Nürnberg, 19. Oktober 2017 „Kinderarmut ist die Folge davon, dass die großen sozialen Risiken wie Alter, Krankheit oder Arbeitslosigkeit sozialisiert sind und von den versicherungspflichtig Beschäftigten finanziert werden – während die Kinderkosten vorwiegend von den Eltern selber getragen werden.“ Zu diesem Schluss kommt Professor Anne Lenze von der Hochschule Darmstadt. Auf der Mitgliederversammlung der Diakonie Bayern, die heute in Nürnberg stattfindet, stellte sie fest: „Die Kinder von Hartz IV-Empfängern werden so knapp gehalten, dass der Anschluss an die Mittelschicht in der Regel nicht gelingen kann.“
Lenze zufolge hat das Beschäftigungswachstum der vergangenen Jahre nichts an der Kinderarmut geändert, denn 21 Prozent aller Beschäftigten arbeiten im Niedriglohnbereich: „Auch mit dem Mindestlohn von 8,55 Euro lässt sich kein Kind unterhalten.“ Die Kosten für Kinder könnten von gut verdienenden Eltern der Mittelschicht getragen werden, nicht aber von Arbeitslosen, Geringverdienern und Alleinerziehenden. „Deswegen finden sich in diesen Konstellationen die meisten armen Kinder.“ Hinzu komme die hohe Belastung durch die Kosten für die Miete. „In bestimmten Städten wie München oder Freiburg macht die Miete schon die Hälfte des Familieneinkommens aus.“
Die vorhandenen Sozialleistungen für Kinder der betroffenen Familien bewertet Lenzte kritisch. Ein Geflecht von gegenseitig anzurechnenden Sozialleistungen verhindere, dass sich die Situation armer Kinder in Deutschland verbessere. Hinzu kommt, dass gerade Geringverdiener besonders hart davon betroffen sind, dass die Unterhaltskosten für Kinder nicht von der Bemessungsgrundlage der Sozialversicherung abgezogen werden können.
Lenze fordert darum, dass die Kosten für den Unterhalt von Kindern in niedrigen Einkommensbereichen vollständig vom Staat übernommen werden. Die verschiedensten Leistungen für Kinder und Familien sollten zu einem „großen Kindergeld“ bzw. zu eine Kindergrundsicherung zusammengefasst werden, wie es auch die Diakonie in Bayern vorgeschlagen hat.