Stichwort Fachkräftemangel. Mit dem neuen Jahresthema will die Diakonie Bayern unter anderem einen Trend aufgreifen, der im Zuge einer emnid-Umfrage deutlich wurde: Sehr viele Menschen finden, dass für sie der wichtigste Aspekt ihres Berufs darin besteht, eine sinnvolle Aufgabe im Leben zu haben. Auch für Freiwillige und Ehrenamtliche ist die Hauptmotivation, etwas Sinnvolles zu tun. Genau das könne die Diakonie bieten, betonte Michael Bammessel. „Bei der Diakonie kann der Beruf zur Berufung werden.“ Das sei die besondere Attraktion, die für Mitarbeitende interessanter sei als der Verdienst. „Wegen der Sinnerfüllung wechseln viele Leute gerade im mittleren Alter zur Diakonie.“ Der Erfolg dieser Strategie hänge allerdings auch davon ab, „ob es uns gelingt, das Grundgefühl ‚meine Arbeit macht Sinn‘ sichtbar und spürbar zu machen“, nahm Bammessel seinen eigenen Verband mitsamt der Mitglieder in die Pflicht.
Dafür, „dass das Sinngefühl bei den Mitarbeitenden erhalten bleibt“, müssten sich vor allem die Führungskräfte in der Diakonie engagieren, erklärte der bayerische Diakoniepräsident. Vieles hänge in diesem Zusammenhang vom Führungsstil ab. Als Inspirationsquelle und Anleitung für diakonische Führungskräfte, diesem Anspruch gerecht zu werden, hat das Diakonische Werk Bayern kürzlich die Broschüre „Sinnvoll führen und leiten“ herausgegeben. Das Diakonie.Kolleg. bietet passend dazu Beratung und Coaching sowie die Qualifizierung zum/zur Coordinator/in Personalentwicklung (COPE) an. Für Gesprächsarbeit hat die bayerische Diakonie eine SINN-Box mit verschiedenen Materialien entwickelt, die bei der Erörterung von Sinnfragen unterstützen sollen.
An die Basis der Diakoniearbeit wendet sich der diesjährige Diakoniewettbewerb „Unser Diakonieverein macht Sinn“. Der Wettbewerb richtet sich an die etwa 738 gemeindebezogenen Diakonievereine in Bayern, die laut Bammessel „zum Teil in der Krise stecken, zum Teil aber auch sehr lebendig sind“. Gesucht werden Modelle, wie erfolgreiche Diakoniearbeit auf der gemeindebezogenen Ebene unter den derzeitigen gesellschaftlichen Bedingungen aussehen kann.
Sozialcharta für Bayern
Stark machte sich Bammessel auch für die kürzlich veröffentlichte Bayerische Sozialcharta der Freien Wohlfahrtspflege Bayern. „Wir sehen den sozialen Bereich nicht am Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft“, erklärte der Diakoniepräsident, der seit Januar turnusgemäß den Vorsitz der Freien Wohlfahrtspflege innehat. Die Investition in Soziales erhöhe insgesamt die Qualität einer Gesellschaft. Die Sozialcharta soll demnächst in gebundener Form erscheinen und bei Gesprächen und Veranstaltungen mit maßgeblichen Akteuren/innen aus Politik und Wirtschaft als Grundlage dienen. Gleichzeitig sind Parteien und Verbände aufgefordert, per Unterschrift der Charta beizutreten.
Schwerpunkt Pflege
Das Thema „Pflege“ soll im Doppelwahljahr 2013 noch einmal Schwerpunkt in der politischen Arbeit der Diakonie Bayern werden. Vorstandsmitglied Brigit Löwe kritisierte vehement das seit Januar geltende Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG). Als „geradezu lächerlich“ bezeichnete sie die Erhöhung des Personalschlüssels in stationären Einrichtungen von 1:25 auf 1:24. „Damit bleiben für eine pflegebedürftige Person durchschnittlich 34 Sekunden mehr Zeit als vorher“, rechnete Löwe vor. Ihr abschließendes Urteil: „Die wirklichen Probleme in der Pflege löst das PNG nicht.“ Die Diakonie Bayern fordert – „seit langem“, wie Löwe betonte – unter anderem eine Anhebung der Beiträge zur Pflegeversicherung um 1,0 Prozentpunkte, eine Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, mehr bezahlte Zeit für Zuwendung, Gespräche und Ermöglichung von gesellschaftlicher Teilhabe und einen Systemwechsel, der präventive Pflege belohnt, anstatt sie, wie augenblicklich, zu bestrafen. Dringend notwendig seien weiterhin die Aufstockung des Personals in stationären Einrichtungen um 10 Prozent sowie eine vereinheitlichte und schulgeldfreie Pflegeausbildung und mehr Mittel zur altersgerechten Ausstattung von Arbeitsplätzen in der Pflege.
Die Freie Wohlfahrtspflege Bayern veranstaltet zusammen mit dem Bündnis „Wert der sozialen Arbeit“ am 26. Februar im bayerischen Landtag ein Symposium mit dem Titel „Absolut an der Kante – Pflege in Bayern“. Dort sollen Fachkräfte aus der Pflege Gelegenheit bekommen, Politikern/innen und Fachleuten ihre Sicht der Dinge darzulegen und zu diskutieren. Am 16. Mai wird es, wie bereits im März letzten Jahres, in Nürnberg einen großen Aktionstag für die Pflege geben, an dem auch der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm teilnehmen wird.
Wahlprüfsteine
„Im Wahljahr will die Diakonie Bayern ihren Mitgliedern die Möglichkeit geben, Politikerinnen und Politikern zu bestimmten Themen und Missständen mal so richtig auf den Zahn zu fühlen“, fasste Tobias Mähner, zweiter Vorstand der Diakonie Bayern, die Zielsetzung der „Wahlprüfsteine“ zusammen, deren Inhalte in Auszügen vorgestellt wurden. Im Postkartenformat würden Texte anhand fiktiver persönlicher Schicksale „auf Probleme und Missstände hinweisen, die wir in unseren Arbeitsbereichen immer wieder vorfinden“, erklärte Mähner. Um die Möglichkeit, mit Betroffenheitsbekundungen und Sonntagsreden der eigentlichen Fragestellung auszuweichen, einzuschränken, werden die geschilderten Schicksale möglichst direkt mit den dafür ursächlichen Gesetzen und Regelungen verknüpft.
Die einzelnen Beispiele werden voraussichtlich im März als Postkartenheft erscheinen. Die Karten können an Parteien und Kandidaten verschickt werden.