Jahresempfang der Diakonie Bayern: „Gerechte Chancen für alle.“ Werben um Aufnahmelager in Oberfranken.

Nürnberg/Kulmbach, 7. Juli 2014 Der Sozialstaat dient nicht nur der Armutsbekämpfung der Menschen am Rande der Gesellschaft. Er hat auch eine sichernde Funktion für die gesamte Gesellschaft - auch für deren Mitte. Dies machten die Redner auf dem Jahresempfang der Diakonie Bayern deutlich, der heute in Kulmbach stattfand. Die Entwicklung und die Bedeutung des Sozialstaates standen auch im Mittelpunkt der Festrede von Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der EKD und Reformationsbotschafterin der Lutherdekade.

Vor 300 geladenen Gästen sagte Käßmann: „Die Problematik besteht heute nicht darin, dass Menschen auf der Straße verhungern würden, sondern dass es nicht möglich ist, ihnen angemessene Teilhabe an den gesellschaftlichen Möglichkeiten zu verschaffen. Insofern sind die Ansprüche an den Sozialstaat gegenüber der Zeit von Luther beträchtlich gestiegen. Heute geht es darum, dass sich Menschen mit ihren Möglichkeiten entfalten können."

 

Im Blick auf die chaotischen Zustände in den bayerischen Flüchtlingseinrichtungen betonte Käßmann, Menschen, die aus Not nach Deutschland kämen, seien keine ‚Zuwanderer in die Sozialsysteme‘. „Sie sind Individuen mit eigener Würde, die ein Recht auf Solidarität haben. Nahrung, Obdach, Zugang zu Bildung und Gesundheitseinrichtungen sind ein Menschenrecht.“

Der Präsident der Diakonie Bayern, Michael Bammessel, lehnte in seinem Beitrag eine „beliebte Aufgabenteilung“ ab: „Auf der einen Seite Kirche und Diakonie, die sich um bedürftige Einzelne kümmern – auf der anderen Seite die gewählten Mandatsträger, welche die große Politik machen.“ So schiedlich-friedlich, wie das mancher gerne hätte, ließe sich dies eben nicht auseinanderhalten. Die Demokratie baue darauf, dass sich die wesentlichen Kräfte der Gesellschaft in die Debatten einbrächten. „Andererseits merken wir gerade bei der Diakonie immer wieder, wie stark unsere ganz individuelle Zuwendung zum Einzelnen von den Weichenstellungen der Politik mit abhängt. Mit einem Becher Wasser können Sie einem Durstigen helfen, aber man kommt damit nicht weit, wenn das ganze Haus brennt.“

Die Bayreuther Regionalbischöfin Dorothea Greiner forderte angesichts der dramatischen Zustände in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge ein Erstaufnahmelager in Oberfranken: Es bräuchte „eine Offensive in jedwedem Verantwortungsstand - im Kabinett, in den Regierungen und Bezirken, den Landkreisen und Kommunen, in der Diakonie, der Kirchenleitung und den Kirchengemeindeleitungen.“ Die Verweigerungshaltung, die Einrichtungen für Flüchtlinge grundsätzlich begrüße, in der eigenen Nachbarschaft aber ablehne, sei wahrzunehmen, „sie ist aber nicht im Sinne Christi.“ Greiner weiter:  „Ich bitte um offene Türen und Herzen für ein Aufnahmelager in Oberfranken.“