Nürnberg, 30. 11. 2017: Zu früh, diskriminierend und damit grundgesetzwidrig – das Urteil der Diakonie Bayern zum gestern im Landtag beschlossenen „Ausführungsgesetz der Sozialgesetze und des Aufnahmegesetzes“ (AGSG) fällt vernichtend aus. Es soll die Leistungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Freistaat neu regeln – und bedeutet aus Sicht des zweitgrößten bayerischen Sozialverbandes für die Betroffenen eine massive Einschränkung bisheriger Leistungen.
Wurden unbegleitete Minderjährige bislang je nach individuellem Bedarf und bis zum Erreichen der Volljährigkeit in Einrichtungen der Jugendhilfe betreut, sollen sie zukünftig grundsätzlich im sogenannten „Jugendwohnen“ untergebracht werden. Dr. Tobias Mähner, 2. Vorstand des Diakonischen Werkes Bayern: „Alle jungen Menschen mit Jugendhilfebedarf haben dieselben Rechte und müssen darum auch denselben Zugang zu den jeweils notwendigen Angeboten haben.“ Eine Sonderstellung von jungen Flüchtlingen allein aufgrund ihrer Herkunft ist nach Ansicht Mähners darum diskriminierend, widerspricht dem Grundgesetz und verstößt nicht zuletzt gegen das bundesweit geltende Kinder-und Jugendhilferecht (SGB VIII), in dem die individuelle Bedarfsdeckung als Grundsatz festgeschrieben ist. Bislang wurden die Maßnahmen für Betroffene gemeinsam von Jugendämtern und den freien Trägern der Jugendhilfe festgelegt. Nach dem Willen der Diakonie hätte dies auch so bleiben sollen. Mähner: „Das AGSG aber sieht vor, dass die Staatsregierung zukünftig hier in Form einer Rechtsverordnung Vorgaben machen kann.“ Damit greift sie massiv in die Gestaltungshoheit der Kommunen ein.
„Die Folgen für die Betroffenen, aber auch für unser Land werden fatal sein“, so Mähner. Die Jugendlichen bräuchten je nach persönlichem Erfahrungshintergrund unterschiedliche Formen der Unterstützung. „Das kann in schweren Fällen auch eine Traumatherapie sein.“ Nötig seien darum auf jeden Fall differenzierte Angebote, wie die Jugendhilfe der freien Träger sie bislang angeboten hätte. Zudem könnte durch eine individuelle Betreuung deutlich früher eine mögliche Radikalisierung festgestellt und ihr entgegengewirkt werden. „Die Unterbringung im Jugendwohnen erschwert dies; insofern ist das neue AGSG wirklich kein Beitrag zur inneren Sicherheit“. Unverständnis äußert die Diakonie auch über den Zeitpunkt des geplanten Ausführungsgesetzes. „Wir warten auf die Reform des SGB VIII – und da Bundesrecht im Zweifelsfall über Landesrecht steht, kommt die Initiative aus München zur Unzeit.“