Armutskonferenz: Wohnen – ein Menschenrecht! Wohlfahrtsverbände fordern bezahlbaren Wohnraum für alle

Nürnberg, 30. Juli 2014. Die Notquartiere sind voll. Allein in München waren Ende 2013 4.200 Obdachlose gemeldet. Bereits damals rechneten die Experten mit einem Zuwachs von 50 zusätzlichen Obdachlosen pro Woche. Darunter sind auch junge Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, Senioren, die nach dem Tod ihres Partners die Miete nicht mehr aufbringen können oder Familien, die wegen Eigenbedarf aus ihren Vierteln herausgekündigt werden. Die bayerische Verfassung sichert seinen Bürgern angemessenen Wohnraum und verspricht „billige Volkswohnungen“ zu fördern. Doch wie sieht die Realität aus, in den Ballungszentren im Freistaat Bayern, der vor 20 Jahren noch rund 12.000 Mietwohnungen gefördert hat und in diesen Tagen sein Engagement auf 1.800 geförderte Wohnungen beschränkt hat? All diesen Fragen widmete sich die 7. Bayerische Armutskonferenz der Freien Wohlfahrtspflege Bayern in Nürnberg unter dem Motto und Leitsatz „Wohnen - ein Menschenrecht!“.

Die Forderungen der diesjährigen Armutskonferenz sind schnell zusammengefasst. „Wir brauchen schnelle Lösungen. Dazu müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen, und vor allem schnell handeln. Gute Wohnverhältnisse und bezahlbare Mieten sind ein Garant für sozialen Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagte Michael Bammessel, Präsident der Diakonie Bayern und stellvertretender Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege Bayern, zum Abschluss der mit rund 160 Teilnehmern gut besuchten Konferenz.

 

„Wir haben keine Zeit mehr, Wohnraummangel wird zum Armutsrisiko, weil Angebot und Nachfrage nicht mehr zusammenpassen. Wir brauchen schnell umsetzbare Konzepte und Ideen, damit Menschen aus dem Niedriglohnsektor oder Menschen mit Behinderungen, mit Migrationshintergrund oder Senioren auch angemessen und bezahlbar wohnen können“, kommentierte BRK-Vizepräsidentin und Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern, Brigitte Meyer, die prekäre Situation in Bayern.

In vier Workshops wurden zentrale Fragen rund um die Wohnungsnot thematisiert: Das Überangebot an Luxuswohnungen in München, dem eine immer größere Klientel gegenüber steht, die eben keinen bezahlbaren Wohnraum mehr findet. Weitere Workshops widmeten sich dem Barrierefreien Wohnraum und der Situation der Menschen, die unter Diskriminierungen leiden. Auch der Verlust der Wohnung mitsamt allen ihren schrecklichen Folgen wurde eingehend von den Experten diskutiert. Dabei wurde festgehalten, dass viele Menschen, die aus der Mitte der Gesellschaft stammen und fern irgendwelcher Randgruppenzugehörigkeit sind, mittlerweile keine oder verschwindend  geringe Chancen haben, eine angemessene Wohnung in den Zentren der Großstädte zu finden. „Generell haben Menschen, die zum Beispiel allein erziehend sind, wenig Chancen auf dem normalen Mietmarkt. Auch Menschen mit dunkler Hautfarbe oder mit einem Asylhintergrund sind auf dem Wohnungsmarkt nicht gerne gesehen“, berichtete Angela Pfister-Resch, Leiterin der Wohnungsnotfallhilfe der Arbeiterwohlfahrt im Landkreis München aus ihrem Alltag. 

Trotz der guten Absicht der bayerischen Staatsregierung, künftig pro Jahr 70.000 neue Wohnungen fördern zu wollen, ist die Situation in den Beratungsstellen äußerst angespannt. Die Zahlen der Hilfesuchenden steigen. „Wir setzen mit unseren Beratungen wirklich alles in Bewegung, um zu unterstützen. Wir schulen sogar Benehmen und Agieren bei der Wohnungssuche, und wir intervenieren mit allen Mitteln bei Räumungsklagen. Wir versuchen immer, Obdachlosigkeit bereits im Vorfeld zu vermeiden. Wir begleiten und helfen auch Leuten, die endlich eine Wohnung gefunden haben, aber trotzdem immer wieder in Schwierigkeiten geraten, mit Sonderprogrammen, die bis zu einem Jahr andauern können. Und  wir verhandeln mit Vermietern, wenn Schulden da sind“, erzählte Angela Pfister-Resch. Letztendlich müssen die Beratungsstellen hilflos zusehen, wie in München Zwangsräumungen zunehmen, obwohl die Politik Abhilfe schaffen will. Dazu gab es Anfang Juli unter der Leitung von Bundesministerin Hendricks ein Treffen der Wohnungs-, Bau- und Immobilienwirtschaft, des Mieterbundes, der Länder und der Kommunen. Hendricks will etwas gegen die hohen Mieten in den Ballungsräumen tun. Man will künftig preiswerter bauen und plant weitere Aktionen. Doch das wird dauern, erst 2015 soll bei einem Nationalen Kongress, eine erste Zwischenbilanz gezogen  werden. Eines jedoch ist bis dahin sicher, die Arbeit der Wohlfahrtsverbände und der Andrang in den Beratungsstellen wird bis dahin nicht weniger.