1.4 Millionen Jugendliche ohne Abschluss: „Der Grundstock der zukünftigen Altersarmut“

Nürnberg, 10. Juli 2014 Es sind erschreckende Zahlen, die die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit in Bayern (LAG JSA) heute in Nürnberg vorgestellt hat. Jeder siebte Jugendliche unter 30 Jahren ist in Deutschland ohne Berufsabschluss. Und das, obwohl sich die Situation am Arbeits- und Ausbildungsmarkt seit Jahren kontinuierlich verbessert. Nach Ansicht des Vorsitzenden der LAG Jugendsozialarbeit Bayern , Klaus Umbach eine paradoxe Situation: „Die ausbildenden Betriebe klagen über Nachwuchsmangel, gleichzeitig ist es bislang nicht gelungen, die Zahl der Jugendlichen ohne Berufsabschluss deutlich zu reduzieren.“

Unter Fachleuten herrscht Einigkeit: Es ist genau diese Gruppe, die auch in Zukunft besonders von Arbeitslosigkeit und Altersarmut betroffen sein wird. Umbach: „Personen ohne Berufsabschluss arbeiten besonders häufig im – schrumpfenden – Niedriglohnsektor und werden gerade in konjunkturell schlechteren Zeiten als erste wieder entlassen.“

 

Umbach plädiert darum für einen Ausbau der Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten der sogenannten ‚arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit‘. „Wir brauchen niedrigschwellige Projekte, die einen Übergang in Richtung ‚normaler Beschäftigung‘ ermöglichen, sowie assistierte Ausbildungsangebote.“ Derartige Modelle, gibt es bereits: Betriebe des sogenannten ersten Arbeitsmarktes kooperieren mit der Jugendsozialarbeit mit dem Ziel, den Jugendlichen eine Ausbildung und einen Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. „Wir wüschen uns von den Betrieben allerdings eine höhere Bereitschaft, sich an solchen Angeboten auch finanziell zu beteiligen, da sie ihnen ja auch zugute kommen.“ Gleichzeitig warnte Umbach davor, sich angesichts eines drohenden Fachkräftemangels einzig auf Zuwanderer zu konzentrieren und dabei die Integrationsmöglichkeiten benachteiligter junger Erwachsener zu ignorieren.

Angesichts einer steigenden Zahl junger Menschen, die aus allen Hilfe- und Sozialsystemen herausgefallen und deshalb schwierig zu erreichen sind, plädiert die LAG JSA für die Erleichterung des Zugangs zu Angeboten für benachteiligte junge Menschen. Dabei werden neue Angebotsformen wie aufsuchende und nachgehende Hilfsmöglichkeiten ausgebaut werden müssen, die für die Arbeit mit dieser Zielgruppe dringend benötigt werden. Zudem müssen die Gruppe Gleichaltriger und die Familienmitglieder bei Hilfsangeboten konzeptionell stärker berücksichtigt werden. „Das familiäre Unterstützungssystem kann seine Aufgaben allein nicht ausreichend erfüllen und viele junge Menschen werden in ihren Cliquen oft negativ, aber eben auch positiv beeinflusst. Darin stecken neue Chancen für die praktische pädagogische Arbeit, die sich aber auch in den Rahmenbedingungen niederschlagen müssen“, fordert Umbach.

 

Stichwort Jugendsozialarbeit: Zielgruppen der Jugendsozialarbeit sind sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte junge Menschen bis zum 27. Lebensjahr. Dazu zählen Jugendliche, die aufgrund ihres familiären und sozialen Umfelds, ihrer ethnischen oder kulturellen Herkunft oder ihrer ökonomischen Situation Benachteiligungen erfahren haben, die ihnen die Integration in die Gesellschaft und den Übergang von der Schule in den Beruf erschweren oder Jugendliche, die beispielsweise an Lernstörungen oder Lernbeeinträchtigungen leiden, die psychische oder physische Beeinträchtigungen haben, die drogenabhängig geworden sind oder bereits eine kriminelle Karriere hinter sich haben. Ziel der Jugendsozialarbeit, gesetzlich im §13 des SGB VIII verankert, ist es, jungen Menschen sozialpädagogische Hilfen anzubieten, die dem Ausgleich sozialer Benachteiligung oder der Überwindung individueller Beeinträchtigungen dienen. Bereiche der Hilfen sind: - schulische Bildung - berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt - soziale Integration.