
JAHRESTHEMA 2017/2018 - GESCHICHTEN DES ANKOMMENS BEI DER BAYERISCHEN DIAKONIE

Ankommen als alter Mensch auf dem Land
Wie die Diakonie älteren Menschen auf dem Land hilft, zeigt die Geschichte des Monats Juli 2017 auf: Die 82-jährige Erna Meier lebt in einem Dorf in Westmittelfranken und wird immer mittwochs von der Diakonie in einer Aktivierungs- und Betreuungsgruppe für Demenzerkrankte betreut. Die Gruppe ist für sie wichtig, weil sie dort soziale Kontakte pflegen kann, und für ihre Angehörigen bedeutet das Angebot der Diakonie eine wesentliche Entlastung.
Na ja, da war das mit dem Holz
im Elektroherd.
Und wie unsere Crissi heißt,
weiß die Erna auch nicht immer.
Nachts läuft sie durchs Haus,
sie kann ja nix dafür.
Aber sie backt noch Zwetschgenkuchen
wie keine Zweite.
Und auf die Mittwoch-Gruppe im Nachbarort
freut sie sich immer.
Wir sind so froh um diesen einen Tag.
Sie wird abgeholt und heimgebracht,
und wir wissen: Es geht ihr da richtig gut.
Fallbeispiel
Erna Meier, 82 Jahre, lebt seit ihrer Geburt auf ihrem kleinen Hof in ihrem 800-Einwohner- Dorf in Westmittelfranken. Sie besucht regelmäßig eine Aktivierungs- und Betreuungsgruppe für Demenzerkrankte der Diakonie in Westmittelfranken.
Viele Jahre war Erna Meier für ihren Mann, die drei Söhne, den Haushalt und die kleine Landwirtschaft zuständig. Vor fünf Jahren ist ihr Mann verstorben.
Erna Meier hat nie einen Führerschein gemacht, sondern ist ─ wenn überhaupt ─ mit dem Traktor in die „Stadt“ gefahren. Dies ist mit ihrer neuen Hüfte nicht mehr möglich.
Sie hat Glück: Einer ihrer Söhne ist im Dorf geblieben und hat das Haus übernommen. Sie wohnt bei ihm, seiner Frau und den zwei Enkeltöchtern.
Vor zwei Jahren wurde sie immer „vergesslicher“. „Ich werde alleweil richtig deppert“, hat sie eines Tages gesagt. Ihr Sohn und ihre Schwiegertochter kümmern sich um sie. Seit sie einmal versucht hat, den Elektroherd mit Holz zu heizen, lässt die Familie sie nur noch sehr ungern und mit Ängsten allein zu Hause. Vor allem für die Schwiegertochter stellt die Rund-um-die-Uhr-Betreuung der dementen Frau eine große Herausforderung und Belastung dar.
Frau Meier und ihre Familie sind froh, dass es die Betreuungsgruppe der Diakonie im Nachbarort gibt. Auf das kleine weiße Auto, das sie jeden Mittwoch zum Kochen, Backen, Basteln und Singen bringt, freuen sich alle. Frau Meier hat sogar zwei ihrer Schulfreundinnen dort getroffen, die sie schon ein paar Jahre nicht mehr gesehen hat. Und außerdem machen sie den Zwetschgenkuchen noch so wie früher, mit selber geknetetem Teig und Zwetschgen von ihrem Baum daheim.
Hintergrundinformationen
Altwerden im ländlichen Raum
Viele ländliche Regionen sind von einem tiefgreifenden Bevölkerungswandel betroffen. Besonders Menschen im vierten Lebensalter, aber auch schon die noch fitten „jungen“ Alten mit geringerer Mobilität stellt dieser Wandel des sozialen Nahraums der Nachbarschaft und des Dorfes zunehmend vor Herausforderungen. Diese schlagen sich für den betroffenen Teil der ländlichen Bevölkerung in allen Bereichen der Daseinsgrundversorgung nieder: von Wohnen und Arbeiten, über Bildung, Ver- und Entsorgung, bis hin zu am Verkehr teilnehmen, in Gemeinschaft leben und sich erholen. Hieraus ergibt sich ein vielfältiger Handlungsbedarf, dem kein Akteur allein gewachsen ist. Um den Herausforderungen des demographischen Wandels im ländlichen Raum angemessen gerecht zu werden, müssen Schnittstellen identifiziert und Kooperationen neu gedacht werden.
Das Thema „Altwerden im ländlichen Raum“ steht auch im Mittelpunkt des gemeinsamen Sommerempfangs der bayerischen Diakonie und der Regionalbischöfin Gisela Bornowski am 13. Juli 2017 in Wildbad Rothenburg. Prof. Dr. Dr. h. c. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, hält seinen Festvortrag „Anders alt werden im ländlichen Raum“ und untersucht die Rahmenbedingungen und Modalitäten eines altersgerechten Lebens auf dem Land.
„Kirche und Diakonie in der Nachbarschaft. Neue Allianzen im ländlichen Raum“ – unter diesem Titel hat die Diakonie Deutschland in ihrer Reihe „Diakonie Texte“ im Mai 2016 eine umfassende Dokumentation zu diesem Thema veröffentlicht:
Altenpflege der Diakonie in Bayern: Zahlen, Daten, Fakten
Offene Altenhilfe
ca. 65 Seniorenstätten in kirchlich-diakonischer Trägerschaft
ca. 1.000 Seniorenclubs und Seniorenkreise in überwiegend kirchlicher Trägerschaft
Altenpflege (teilstationär, stationär)
226 Einrichtungen mit 16.423 Pflegeplätzen, in denen nach § SGB XI gepflegt wird
15 Einrichtungen mit Kurzzeitpflegeplätzen, weitere als „eingestreute Plätze“ in stationären Einrichtungen
34 Einrichtungen mit Tagespflege
79 Einrichtungen des Betreuten Wohnens
Ambulante Pflegerische Dienste
243 Diakonie-/Sozialstationen mit insgesamt ca. 6.500 Mitarbeitenden (ca. 3.000
Pflegefachkräfte, ca. 2.000 Mitarbeitende in Pflegehilfe, Hauswirtschaft und
Verwaltung; ca. 1.500 Mitarbeitende als Stundenkräfte, Aushilfen und geringfügig
Beschäftigte)
38 Familienpflegedienste
36 Dorfhelferinnendienste mit 45 Dorfhelferinnen