Migration und Flucht

Grenzen überwinden – die Welt gemeinsam gestalten

Die Gründe, das Heimatland zu verlassen, sind vielfältig. Verfolgung und Kriege im Heimatland gehören zu den häufigsten, denn kaum jemand verlässt freiwillig seine Heimat, um in einem fremden Land einer ungewissen Zukunft entgegen zu gehen. Andere Menschen hoffen, damit einer wirtschaftlich schwierigen Situation zu entgehen und sich hier eine neue Existenz aufzubauen.

Das Diakonische Werk Bayern setzt sich in seiner politischen Arbeit und mit seinen Beratungsstellen dafür ein, dass Ratsuchende umfassende Informationen, Beratung und Begleitung erhalten und so neue Perspektiven entwickeln können. Dies geschieht in den Einrichtungen der

  • 42 Träger mit Flüchtlings- und Integrationsberatungsstellen
  • 23 Träger mit Migrationsberatungsstellen
  • 14 Träger mit Jugendmigrationsberatungsstellen
  • STIFTUNG WELTEN VERBINDEN

und in vielfältigen Projekten auf der Landes- sowie Trägerebene.

Auch auf der Internetseite der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern Flucht und Asyl. Ein Gebot der Nächstenliebe erhalten Sie viele Informationen zum Thema.

Populismus in der „Asyldebatte“Reality-Check und Argumentationshilfen

Die bayerische Landeskirche hat zusammen mit der Diakonie in Bayern im November 2023 eine gemeinsame Argumentationshilfe verfasst, um dem Populismus in der "Asyldebatte" mit Fakten wirksam entgegenzutreten.

Faktisch ist es so gut wie gar nicht möglich, als Asylsuchende:r legal nach Deutschland oder in die Europäische Union einzureisen.

Nur in seltenen Fällen gelingt es Schutzsuchenden, ein Visum für den Schengenraum zu erhalten. Dazu müssen immer bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. In der Regel muss ein Arbeitsplatz, eigener Wohnraum und die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes nachgewiesen werden.

Für Schutzsuchende ist es nahezu ausgeschlossen, einen solchen Weg zu beschreiten, insbesondere dann, wenn man schnell das Herkunftsland verlassen muss. Würde man illegale Einreise unterbinden, käme das nahezu der Abschaffung des Flüchtlingsschutzes gleich. Schon die derzeitige Situation an den EU-Außengrenzen verhindert, dass Menschen auf der Flucht auch Schutz gewährt wird.

Unter denen, die es geschafft haben, in ein Asylverfahren in der EU zu kommen, ist die sog. Schutzquote hoch: Etwa dreiviertel der Antragsstellenden, deren Fluchtgründe inhaltlich geprüft werden, erhalten in Deutschland einen Schutzstatus. Übrigens: In Artikel 31 der Genfer Flüchtlingskonvention ist ausdrücklich festgehalten, dass die unerlaubte Einreise, um Schutz vor der Gefährdung von Leben und Freiheit zu suchen, straffrei bleiben muss.

Die Genfer Flüchtlingskonvention und auch das Asylrecht des deutschen Grundgesetzes ist nach einer leidvollen Erfahrung entstanden. Im Bewusstsein waren damals noch die Ergebnisse der Konferenz von Évian: kein Staat war bereit, „freiwillig“ im Rahmen von Aufnahmequoten, sich an der Flüchtlingsaufnahme aus Nazi-Deutschland zu beteiligen; in der Folge schlossen die Häfen in Europa und viele Flüchtlinge wurden in den deutschen Vernichtungslagern ermordet.

Deshalb wurde ein Rechtsanspruch auf Schutz vor politischer Verfolgung geschaffen. Seither können sich Schutzsuchende darauf berufen und ihr Recht auch einklagen. Trotzdem wird immer wieder gefordert, das Individualrecht abzuschaffen und durch Kontingente zu ersetzen.

Richtig ist: Kontingente können das Asylsystem entlasten und deren Ausbau wird schon lange gefordert.

Falsch ist:  Die Annahme, dass dann weniger Menschen zur Flucht gezwungen wären.

Schutzberechtigte wären ohne die Genfer Flüchtlingskonvention dann allerdings ausschließlich dem Wohlwollen der politischen Akteur:innen innerhalb der Europäischen Union sowie politischen Stimmungen unterworfen. Anhand der Erfahrung der Debatten in den letzten Jahren kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Europäische Union oder die Mitgliedstaaten die notwendige Aufnahme einer größeren Anzahl von Schutzsuchenden beschließt, wenn ihr schon die gerechte Verteilung weniger Zehntausend schwerfällt.

Ja, mit der Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden sind viele Kommunen stark beansprucht; es gibt aber regional sehr unterschiedliche Situationen: die Belastungen reichen von öffentlich beklagtem Notstand, herausfordernden, aber dennoch leistbaren Anforderungen, bis hin zu relativ entspannten Situationen, weit entfernt von einer Überlastung. 

Entlastungsmöglichkeiten liegen beispielsweise

  • in der Weiterentwicklung vorhandener Strukturen der Flüchtlingsaufnahme,
  • Auszugskonzepte, die dazu beitragen, dass Unterkünfte nicht dauerhaft belegt sind,
  • in der konstruktiven Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft bei der Suche nach Wohnungen,
  • in der Abschaffung der Pflicht, in zugeteilten Unterkünften zu leben, wenn private Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden sind,
  • in der freien Wohnortwahl für alle Schutzsuchenden (für die Ukrainer:innen hat sich das bewährt),
  • und nicht zuletzt in der Bereitschaft, das Thema in entspannteren Zeiten nicht zu vernachlässigen.

Ja, wir können nicht alle aufnehmen; wir müssen und tun das auch nicht.

Der UNHCR hat für das Jahr 2022 mehr als 108,4 Millionen Flüchtlinge erfasst. 62,5 Millionen davon sind Binnenflüchtlinge, Menschen, die Schutz innerhalb ihres Heimatlandes suchen. 35,3 Millionen Menschen haben ihr Land verlassen.

Der größte Teil dieser Personen findet Schutz und Aufnahme in den Nachbarstaaten. Die drei größten Aufnahmeländer in absoluten Zahlen weltweit sind die Türkei, der Iran und Kolumbien.

Aufgrund der Sondersituation mit der Aufnahme von geflüchteten Menschen aus der Ukraine hat Deutschland im Jahr 2022 zwar 1,2 Millionen Geflüchtete - 1,1% aller Geflüchteten weltweit – aufgenommen. Richtig ist jedoch, dass davon allein etwa 80% vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine geflohen sind.

Von Januar bis September 2023 wurden in Deutschland insgesamt 251.213 Asylanträge gestellt. Das sind bereits mehr als im gesamten Jahr 2022. Dennoch erreichen die Zahlen bei weitem nicht das Niveau aus den Jahren 2015 und 2016. Im Verhältnis zur Bevölkerung ist Deutschland aktuell innerhalb der EU das viertgrößte Aufnahmeland.

Allerdings entspricht das ungefähr auch der Quote, würde man Asylsuchende in der EU nach Einwohnerzahl und Bruttoinlandsprodukt verteilen.

Die Zahlen verdeutlichen: Kein Land ist in der Lage und auch nicht verpflichtet, „alle“ aufzunehmen. Zudem verkennt diese Aussage, dass Zuwanderung für Wirtschaftswachstum und Produktivität in Deutschland unverzichtbar ist.

Ja, auch Geflüchtete begehen Straftaten. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden im Jahr 2022 142.721 tatverdächtige Zuwanderinnen und Zuwanderer gezählt (ohne ausländerrechtliche Verstöße) - Straftaten durch Geflüchtete werden tatsächlich gar nicht explizit erfasst.

Die PKS erfasst darüber hinaus „nur“ Tatverdächtige. Problem ist hierbei, dass nur eine rechtskräftige Verurteilung durch Gerichte die Schuld der Person tatsächlich feststellt. Auch wenn die absoluten Zahlen diesbezüglich angestiegen sind, darf man nicht vergessen, dass 2022 deutlich mehr Menschen als in den Vorjahren nach Deutschland geflohen sind.

Trotzdem gab es bei schweren Delikten gegenüber 2021 absolut gesehen kaum Unterschiede und bei Straftaten gegen das Leben sogar einen Rückgang.

Kriminalität hat auch sozioökonomische Ursachen. Vergleicht man beispielweise junge Männer aus prekären sozialen Verhältnissen mit Gewalterfahrung, so gleicht sich auch die Kriminalitätsbelastung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen stark an.

Außerdem gibt es Hinweise, dass Ausländer:innen häufiger polizeilich kontrolliert werden und Delikte im Zusammenhang mit Geflüchteten wohl auch häufiger angezeigt werden. Auffällig ist, dass Menschen aus Ländern mit guter Bleibeperspektive unterproportional, mit schlechter Bleibeperspektive wiederum überproportional in der Kriminalitätsstatistik wiederzufinden sind.

Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die teilweise unter dem Existenzminimum leben und die häufig nicht arbeiten dürfen, sind in einer besonders belastenden Situation – für jene Personen braucht es bessere Lösungen.

Zum Stichtag 30. Juni 2023 waren 279.098 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. Neben beispielsweise ausländischen Studierenden, Arbeitnehmer:innen oder Tourist:innen, deren Visum abgelaufen ist, sind nur etwa die Hälfte der ausreisepflichtigen Personen abgelehnte Asylbewerber:innen.

Die öffentliche Diskussion um die Aufenthaltsbeendigung ausreisepflichtiger Menschen ist vielfach irreführend. Sie vermittelt das Bild, dass die Menschen nicht ausreisen (wollen) und es dafür keine entgegenstehenden, triftigen Gründe gibt. Allerdings haben mehr als 80 Prozent der Ausreisepflichtigen eine Duldung. Das heißt: Sie wurden aufgefordert, das Land zu verlassen, können aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden (z.B. medizinische Gründe, familiäre Bindungen, berufliche Bildung, fehlende Reisedokumente).

Auch werden hier immer wieder Menschen im laufenden Asylverfahren erfasst, obwohl während eines Asylverfahrens rechtlich keine Ausreisepflicht besteht. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich ein großer Teil jener Personen gar nicht mehr in Deutschland aufhält (nicht erfasste Ausreisen).

Daraus zu schließen, dass der deutsche Staat untätig oder nicht in der Lage wäre abzuschieben oder Ausreisen zu organisieren ist falsch. Mit Abschiebehaft und anderem erteilt der Staat den Behörden auch rigorose Befugnisse. Im ersten Halbjahr 2023 wurden deutschlandweit 7861 Menschen abgeschoben. 2023 wird damit die Zahl von 2022 voraussichtlich deutlich übertroffen.

Die Zahl der freiwilligen bzw. geförderten Ausreisen ist dennoch um ein Vielfaches höher. Der bayrische Innenminister Herrmann gibt allein für Bayern die Zahl der freiwilligen Ausreisen im gleichen Zeitraum mit 15.301 an. Wichtig ist aber: Die Ausreisepflicht kann nicht nur durch eine Abschiebung oder Ausreise, sondern auch durch ein Aufenthaltsrecht, das Bleibeperspektiven eröffnet, beendet werden.

Die Forderung, nur noch oder überwiegend Sachleistungen statt Geld an Asylbewerber:innen auszugeben, ist lange bekannt. In Bayern wurden die Lebensmittelpakete erst 2014 abgeschafft.

Bis dahin musste man Nahrungsmittel, Hygieneutensilien und andere Dinge des täglichen Bedarfs mittels Bestellschein anfordern und sich dann zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeben lassen. 2015 wurde das Sachleistungsprinzip in Bayern wiedereingeführt, aber auch hier war der Aufwand enorm.

Selbst wenn heute mit Bezahlkarten schlankere Modelle technisch möglich sind, bedeutet es im Vergleich zur bloßen Banküberweisung immer einen deutlichen Mehraufwand. Insbesondere dann, wenn Sonderbedarfe notwendig werden, weil Säuglinge und Kleinkinder zur Familie gehören, wenn Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Krankheiten vorliegen.

Wichtig ist jedoch vor allem: Die Ausgabe von Sachleistungen beschränkt die persönliche Autonomie und verursacht dadurch Stress, behindert Integrationsbemühungen und beschränkt selbständige Bildungsmöglichkeiten. Das Sachleistungsprinzip ist eine Lose-Lose-Situation.

Im Übrigen: Studien belegen, dass nicht Sozialleistungen und die Aussicht auf einen Aufenthaltstitel die Menschen zur Migration zwingt, sondern Krieg, Verfolgung und Not.

Wir haben keine Flüchtlingskrise, sondern eine Krise der sozialen Infrastruktur. Die Ursachen sind vielfältig: Mangelnde Finanzierung, fehlende Investitionen, Fachkräftemangel. Dass ein unter Druck geratenes Versorgungssystem mit der Aufnahme von 1,2 Millionen Menschen an seine Grenzen gerät, überrascht nicht.

Unabhängig der Anzahl der geflüchteten Menschen, die zu uns kommen, muss in Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten und andere Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge stärker investiert werden. Diese Investitionen sind Grundlage unseres Sozialstaates und sorgen dafür, gesellschaftliche Folgekosten zu minimieren.

Geflüchtete Menschen können insbesondere bei der Frage des Personalmangels zur Lösung beitragen, wenn ausländische Abschlüsse schneller anerkannt werden und der Zugang zum Arbeitsmarkt vereinfacht wird. Übrigens: Der Sachverständigenrat für Integration und Migration stellt im Mai 2022 fest, dass mit etwa 130.000 Ärzt:innen ein Viertel der Ärzteschaft einen Migrationshintergrund hat. Auch unser Gesundheitssystem ist ohne ausländische Fach- und Arbeitskräfte nicht aufrechtzuerhalten.

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Meike Dirksen Migration